Seit am 29. März israelische Panzer in die Städte im
Westjordanland einzogen, sind zahllose Zivilisten ums Leben
gekommen. Palästinensische Wortführer lassen keine Gelegenheit
aus, kontinuierlich drei Wörter zu wiederholen:
"Genozid", "Kriegsverbrechen",
"Blutbad". Sie wollen der Welt mitteilen, Israel töte
mit Vorsatz massenweise palästinensische Bürger. Israelische
Wortführer sagen, dass sie gegen palästinensische Terroristen
kämpfen, die mit Vorsatz jüdische Bürger töten, und dass bei
diesem Kampf unbeabsichtigt palästinensische Bürger getroffen
werden.
Im kollektiven Gedächtnis der öffentlichen Meinung
verschwinden die Tatsachen mit rasender Geschwindigkeit. In den
letzten Tagen ist die Ursache der massiven Anwesenheit
israelischer Soldaten in den Städten des Westjordanlandes kaum
mehr erwähnt worden. Es scheint mir sinnvoll, Folgendes in
Erinnerung zu rufen: Israelische Panzer stehen in Ramallah und
Hebron, weil am 27. März dieses Jahres in Netanja ein Anschlag
verübt worden ist. Im Park Hotel sprengte ein Mann aus dem
palästinensischen Dorf Tulkarem sich selbst und 26 Juden in die
Luft. Diese Juden waren zusammengekommen, um miteinander Pessach
zu feiern, den wichtigsten Abend in der jüdischen Tradition.
Folgendes geschieht an einem Seder-Abend: Während alle
feierlich zuschauen - festlich gekleidet, in Erwartung einer
geselligen Mahlzeit mit Essen und Trinken, mit Gesang, mit
lästigen Kindern und betrunkenen Onkeln -, stellt der jüngste
anwesende Knabe die Frage, warum dieser Abend anders ist als
alle anderen Abende. Die Frage ist die Einleitung zu der
Geschichte, die dann erzählt wird: der Auszug der Juden aus
Ägypten, wo sie Sklaven waren, unter der Führung von Moses.
Es ist so gut wie sicher, dass es nie einen historischen
Moses gegeben hat (so wie man Fragezeichen hinter die
Anwesenheit jüdischer Sklaven in Ägypten setzen kann), aber
die Bedeutung der Geschichte übersteigt ihre zweifelhafte
historische Wahrheit. Die Tafeln mit den Zehn Geboten stellen
für die Juden eine Revolution in der Geschichte der Ethik dar.
Zugleich legitimiert die Moses-Legende die Eroberung des
Gelobten Landes durch die Juden, ein typischer Mythos, der den
Übergang von einer nomadischen Existenz in ein sesshaftes
Dasein kennzeichnet. Am Seder-Abend wird ein Versprechen Gottes
so ausführlich wie möglich erklärt: Die Erde ist den Menschen
von Gott versprochen, sie müssen auf ihr Sklaverei,
Aberglauben, Armut und Ungerechtigkeit bekämpfen. Dies wird am
Sederabend bekannt, von fast allen jüdischen Familien in der
Welt, ob gläubig oder ungläubig, denn die Geschichte drückt
universelle Werte aus.
Der Selbstmörder, der am Seder-Abend das Park Hotel von
Netanja betrat, um möglichst viele Juden zu vernichten, hat
damit auch einen Anschlag auf diese Werte begangen. Seine Tat
drückt Verachtung aus, nicht nur für sein eigenes Leben und
das Leben der Menschen, die er in den Tod jagte, sondern auch
Verachtung der jüdischen Kultur, der Würde und Wahrheit des
Lebens. Seine Tat war keine Äußerung des Widerstands gegen die
israelische Besetzung seines Dorfes, sondern es war eine Tat,
die von jedem Juden der Welt nur auf eine Art verstanden werden
konnte: als Botschaft, dass im Nahen Osten Juden niemals
geduldet würden. Sein Anschlag war eine Kriegserklärung.
Israel hatte keine andere Wahl, als gegen die
palästinensischen Städte vorzugehen, die Menschen wie den
Selbstmörder von Netanja hervorbringen. Keine einzige
Regierung, ob links oder rechts, hätte die Periode der
Selbstbeherrschung, die dem vorausgegangen war, fortsetzen
können. Der jüdische Staat war eine Reaktion auf europäischen
Antisemitismus und die Ermordung der Juden in Europa, und würde
dieser Staat nicht mit Gewalt auf einen derartigen, von
Judenhass getriebenen Mordanschlag reagieren, würde er seine
eigenen Grundlagen verleugnen. Israel beantwortete daher die
Kriegserklärung mit einem Krieg.
Im Meer der Diktaturen
Israel ist eine Demokratie nach westlichem Muster in einem
Meer von arabisch-islamischen Diktaturen. Trotzdem beruht das
besondere Band zwischen dem Westen und Israel nur zum Teil auf
gemeinsamen Merkmalen. Europäische Länder sind nicht
wählerisch und unterhalten manchmal auch gute Beziehungen zu
Diktaturen, wenn es etwas zu verdienen gibt; und es ist klar,
dass auf Dauer die arabische Welt wichtiger für Europa ist als
Israel: Öl, Erdgas und unerbittliche geopolitische und
demografische Entwicklungen werden Israels Rolle in der Zukunft
des Nahen Ostens zu einem unbedeutenden Phänomen reduzieren.
Die besonderen europäischen Beziehungen zu Israel werden ja
auch nicht von ideellen oder wirtschaftlichen Interessen
getragen, sondern von der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg.
Die jüdischen Pioniere, die ihre Siedlungen buchstäblich
der Wüste und den Sümpfen abgerungen hatten, machten sich
keine Illusionen über das alte Europa, das sie verlassen
hatten. Sie waren davon überzeugt, dass der jahrhundertealten
Geschichte der europäischen Judenverfolgung auch im kommenden
20. Jahrhundert neue Kapitel hinzugefügt werden würden, und
ihr Misstrauen bewahrheitete sich nicht viel später. Doch
zugleich blieben die Gründer Israels Europäer; mit
europäischen Gewohnheiten, Moden, ideologischen Besessenheiten,
Paradoxien. Sie wollten eine moderne Demokratie gründen, aber
in ihr auch ihren religiös-ethnischen Hintergrund verankern,
für den ihre Vorfahren ermordet worden waren und den sie trotz
ihrer atheistischen Lebensführung schätzten.
Ihre Ankunft führte sofort zu gewalttätigen
Zusammenstößen. Es war klar, dass die Flucht der europäischen
Juden in das britische Mandatsgebiet Palästina auf ernsthaften
Widerstand der eingesessenen Bevölkerung stieß. Es war aber
auch klar - und die Folgen des Zweiten Weltkriegs nahmen daran
jeden Zweifel -, dass die Juden in Europa keine Zukunft hatten.
Bis zum heutigen Tag ist ihr Misstrauen gegenüber Europa groß;
genau genommen gegenüber der gesamten nichtjüdischen Welt.
Nach der Schoah und vier Kriegen mit seinen diktatorischen
arabischen Nachbarn vertrauen die Israelis nur mehr dem eigenen
Instinkt und der eigenen Kraft. Sie begreifen, dass sie, dem
Zufall sei Dank, durch die feinen Maschen des Netzes der
Geschichte geschlüpft sind, und dieses Wunder des Zufalls hat
eine spezifische Mentalität hervorgebracht, die für Illusionen
über den Rest der Welt keinen Raum lässt: Die Bedrohung ist
konstant, der Untergang lauert hinter jeder Ecke.
Mit einer Hassliebe zu dem Kontinent, den sie verlassen
hatten, kamen die Juden nach Palästina, und die eingesessenen
Araber sahen mit scheelen Blicken zu, wie sie Land kauften, nach
ihren eigenen Normen und Werten lebten, ohne lokale Traditionen
zu respektieren, Materialismus und andere europäische
Besonderheiten einführten und die Araber als zweitrangig
behandelten. Ihre Anwesenheit war umso schwerer erträglich, als
die islamische Tradition die Juden ihrerseits als zweitrangige
Menschen betrachtet, als feige Verräter Mohammeds.
Das europäische Schuldgefühl gegenüber den Juden
artikulierte sich, als sich die internationale Gemeinschaft am
29. November 1947 über die Resolution 181 beugte, und wegen
dieses Schuldgefühls ist der Umgang zwischen Israel und den
westeuropäischen Ländern verkrampft geblieben. Die Israelis
waren selten zurückhaltend im Ausspielen der
A(ntisemitischen)-Karte, und das führte vor Jahren schon zu dem
Vorwurf, dass sie ein bisschen zu heftig auf das europäische
moralische Gewissen drückten, wenn Israel um wirtschaftliche
oder militärische Unterstützung nachsuchte.
Doch seit dem Libanonkrieg von 1982 hat sich das europäische
Schuldgefühl abgenutzt. Die Rolle Scharons, der den Feldzug
geleitet hatte, wird zurzeit von der belgischen Justiz
untersucht, und die öffentliche Meinung neigt dazu, die Schuld
für die Massaker in Sabra und Schatila zunehmend Israel
zuzuweisen. Auch in diesem Fall ist das kollektive Gedächtnis
des Publikums kurz. Der libanesische Bürgerkrieg war schon seit
Jahren im Gang, bevor Israel eingriff. Sein Beginn lag in
gewissem Sinn in Jordanien, wo König Hussein im September 1970
viele tausend Palästinenser abschlachten ließ, die seine
Monarchie und den Staat bedrohten. Er vertrieb Arafat und seine
Getreuen in den Libanon, wo die PLO und andere palästinensische
Kampfgruppen in wenigen Jahren persönliche Kolonialgebiete
aufbauten. Dadurch begannen sich in der labilen libanesischen
Gesellschaft die Gewichte zu verschieben; ein Bürgerkrieg brach
aus. In dieses Chaos zog die israelische Armee ein. Kein
einziger israelischer Soldat hat an den Massakern von Sabra und
Schatila teilgenommen, ebenso wenig gab es einen israelischen
Befehl für diese Morde, aber weil der israelische
Verteidigungsminister - Scharon - von den Absichten der
christlichen (!) Milizen hätte wissen müssen (und vermutlich
davon wusste), wird er nun von der öffentlichen Meinung für
Sabra und Schatila persönlich verantwortlich gemacht. Nach
dieser Logik sind auch Kok und Voorhoeve persönlich für
Srebrenica mitverantwortlich.
Von Sabra und Schatila hat sich Israel publizistisch nicht
mehr erholt. Das Bild, das Europa vom jüdischen Staat hegte,
basierend auf der seltsamen Wiedergeburt des schwachen,
verfolgten, weisen und geläuterten Juden, der durch harte
Arbeit die Wüste zum Blühen brachte, wurde ersetzt durch das
Bild arroganter Militärs, die ein anderes Volk unterdrücken,
um ihr eigenes Land bis zum Jordan hin auszuweiten. Das
Massaker, das im selben Jahr im syrischen Hama stattfand und
20 000 Tote zur Folge hatte (die Toten von Sabra und
Schatila werden auf weniger als 1000 geschätzt), zählt in der
Weltmeinung nicht, weil sich dort Araber gegenseitig
abschlachteten.
Die palästinensische Verzweiflung
Von Underdogs wurden die israelischen Juden zu Topdogs, und
von Topdogs will die öffentliche Meinung Europas nichts wissen.
In ihren Augen hat fast per definitionem die unterliegende
Partei Recht, eine Haltung, die schon zu den jubelnden
Reiseberichten über die Sowjetunion, das maoistische China
oder, im Umkehrschluß, zur Herabsetzung der Vereinigten Staaten
geführt hat. Islamistischen Extremisten gilt Israel als der
Kleine Satan, der linken europäischen Intelligenzija als
Amerika im Kleinen.
In dieser Atmosphäre konnten sich europäische
Schuldgefühle den Juden gegenüber verflüchtigen. In den
vergangenen Wochen ist in den Medien oft geäußert wurden: Die
Juden, die Europa die Schoah zur Last legen, sollten es besser
wissen, aber sie begehen nun selbst Verbrechen, die hinter der
Schoah nicht zurückstehen. Aber worin bestehen diese
Verbrechen, die manche mit den Praktiken der Nazis vergleichen?
Ein niederländischer Journalist beschrieb unlängst die
Erniedrigungen, die er bei einer Straßensperre zu ertragen
hatte. Er musste auf die Toilette, aber träge, gelangweilte und
zugleich Todesangst empfindende israelische Lausbuben in Uniform
ließen die Reisenden warten, bis sie an der Reihe waren, was
viele Stunden dauerte. Das ist ärgerlich und frustrierend, aber
rechtfertigt die Störung eines gesunden Stuhlgangs den
Terrorismus?
Die Menschen in Gaza und im Westjordanland seien verzweifelt,
wird gesagt. Das sind sie auch. Ihre Verzweiflung entsteht, so
wird seit Jahren geschrieben, aus zwei Quellen: Mangel an
Freiheit und Mangel an ökonomischem Wohlstand. Gibt es Zahlen,
die etwas über ihre sozioökonomischen Bedingungen berichten?
Es gibt sie. Und diese Zahlen erzählen eine seltsame
Geschichte. Bevor die heutige Intifada ausbrach, waren die
sozioökonomischen Bedingungen eines
Durchschnittspalästinensers in den besetzten Gebieten besser
als die eines Durchschnittsbürgers in Ägypten oder Jordanien.
1998, als noch Hoffnung auf Frieden bestand, betrug das
Bruttoinlandsprodukt pro Kopf 1560 Dollar. In Ägypten waren es
1290, in Jordanien 1150 Dollar. Der Durchschnittspalästinenser
war relativ frei - beschränkt durch israelische Militärzensur
-, seine politische Meinung zu äußern und Parteien und
Zusammenkünfte zu organisieren, Freiheiten, die in den
arabischen Nachbarstaaten kaum oder nicht zu finden sind.
Sozioökonomisch ging es dem Palästinenser unter israelischer
Besatzung also besser als einem syrischen Bürger unter der
Diktatur.
Wer die Geschichte der Zahlen erforscht, gelangt zu
verblüffenden Feststellungen: Vor den Osloer Verträgen 1993
betrug das durchschnittliche Bruttoinlandsprodukt pro Kopf im
Westjordanland 3500 und in Gaza 2800 Dollar, ein Vielfaches des
Bruttoinlandsprodukts in den umliegenden ölarmen arabischen
Ländern. Nach der Rückkehr von Arafat im Mai 1994 und der
Übergabe der Verwaltung an die palästinensischen Behörden
ging das Bruttoinlandsprodukt stark zurück, durch Chaos und
Korruption und die israelische Absperrung der Gebiete nach
terroristischen Anschlägen. Die Schlussfolgerung liegt auf der
Hand: Die Besetzung führte zu einer, nach arabischen Begriffen,
ökonomischen Blüte, die, hätte sie in Ägypten stattgefunden,
große weltweite Befriedigung hervorgerufen hätte.
Eine weitere kaum bekannte Tatsache drängt sich auf: Die
palästinensische Behörde Arafats hat die Kontrolle über 99
Prozent der palästinensischen Bevölkerung. Das territoriale
Gebiet von Gaza und dem Westjordanland ist in drei Arten von
Gebieten aufgeteilt, A, B und C genannt. In A, dem Gebiet, in
dem alle größeren Städte des Westjordanlandes liegen, fallen
sowohl die bürgerliche Verwaltung als auch die Aufgaben von
Polizei und Sicherheit den palästinensischen Behörden zu. Auch
in B ist die bürgerliche Verwaltung den palästinensischen
Behörden vorbehalten, wird aber in Sicherheitsfragen mit Israel
geteilt. In C, wo nur ein Prozent der Palästinenser lebt, haben
die Israelis das Sagen. Sieht man die Gesamtfläche des Landes,
ist die Verteilung allerdings ungleichgewichtig: A und B bilden
zusammen 42 Prozent der Gesamtfläche von Gaza und dem
Westjordanland und die C-Gebiete umfassen 58 Prozent der Fläche
(diese hatte Barak hergeben wollen, einschließlich der
Herrschaft über Ost-Jerusalem). Es gibt also ein starkes
Ungleichgewicht zwischen der Herrschaft über den Boden und der
Herrschaft über die Bevölkerung.
Doch dies berührt die Selbstständigkeit der
palästinensischen Selbstverwaltung nicht. Die Palästinenser
verfügen über ein Parlament, über Ministerien, über
Behörden, und nur eines wird ihnen von den Israelis
vorenthalten: der unabhängige Staat mit eigener Armee. Aber de
facto und de jure leben die meisten Palästinenser schon seit
Jahren mit eigener Verwaltung, die reichlich Chancen bekam, mit
dem Aufbau einer demokratischen Gesellschaft zu beginnen. Das
hat die palästinensische Regierung unterlassen. Korruption und
behördliches Unvermögen haben einen klassischen Banditenstaat
mit einer Polizeimacht hervorgebracht, die Menschen kidnappt, um
sie dann gegen Lösegeld freizulassen, mit standrechtlichen
Erschießungen, mit gebilligtem Diebstahl und der Unterschlagung
europäischer Fördergelder. Es ist einzig und allein den
palästinensischen Behörden vorzuwerfen, dass es den
Palästinensern im Moment schlechter geht als unter der
israelischen Besatzung.
Während des Sechstagekriegs im Jahr 1967 besetzte Israel
Gaza, das Westjordanland und den Sinai. Die vollständige
Ablehnung des israelischen Angebots "Land gegen
Frieden" durch die arabischen Länder bei der Konferenz von
Khartum am 1. September 1967 führte zu zwei katastrophalen
Entwicklungen: der schleichenden De-facto-Annektion der Gebiete
durch Israel, angeführt von nationalistischen Religiösen, die
in dem überwältigenden Sieg die Hand Gottes sahen, und der
immer unerbittlicheren Ablehnung der Existenz Israels durch die
arabische Welt, die in ihrer Niederlage die Hand Satans sah.
Vor 1967 lebten die Palästinenser frei von israelischer
Unterdrückung in Gaza und dem Westjordanland, Gebieten, die von
ihren arabischen Nachbarn beherrscht wurden. Diese Nachbarn
taten alles, um ihren Gästen jede Form von Normalität
vorzuenthalten. Während Israel Millionen jüdischer
Flüchtlinge aufnahm, weigerten sich die Nachbarn, die
Assimilierung palästinensischer Flüchtlinge zuzulassen. Das
Ziel der Nachbarn war, die palästinensischen Flüchtlinge als
Druckmittel für ihre eigenen lokalen oder regionalen Ambitionen
zu benutzen.
Die Besetzung des Westjordanlandes und Gazas durch Israel war
keine harte Besetzung. Aber eine Besetzung blieb es. Es wurde
eine Kontrolle über Menschen ausgeübt, die diese Kontrolle
nicht gewählt hatten und in ihrem relativ großen
wirtschaftlichen Wohlstand keinen Anlass sahen, die Besatzer zu
akzeptieren. Aber die Einschränkungen ihrer Freiheit wichen
nicht nennenswert von denen ihrer arabischen Brüder ab. Ihre
"Verzweiflung" stammt aus einer anderen Quelle.
Antisemitismus und Schuldgefühl
Es lässt sich nicht leugnen: Nach terroristischen
Anschlägen auf Israel werden Palästinenser kollektiv mit
Straßensperren und der Zerstörung von Gebäuden bestraft
(wobei, das kann ebenso wenig geleugnet werden, Unschuldige den
Tod finden). Aber wenn ein Gebäude zerstört wird, werden die
Palästinenser im Voraus gewarnt. Und die Palästinenser
vertrauen darauf. Sie wissen, dass die Israelis nie mit gleicher
Münze zurückzahlen und niemals gut besuchte Restaurants,
Cafés oder Hotels in Hebron oder Ramallah in die Luft jagen
würden, sondern dass sie als westliche Demokratie immer
peinlich genau die Verantwortlichen für die Anschläge
herausfinden müssen und dass sie bei einem Irrtum unerbittlich
durch die eigene und die westliche Presse gestraft werden. Die
Straßensperren sind einer kultivierten Nation unwürdig und die
Vergeltungsaktionen nicht immer verhältnismäßig - trotzdem
sind es unbedeutende Maßnahmen, verglichen mit der Art, wie
sich Araber gegenseitig oder die arabischen Obrigkeiten ihre
Untertanen behandeln.
Die palästinensische Propaganda und die westeuropäischen
Medien wollen es so darstellen, als mache sich Israel eines
Genozids schuldig. Täglich werden Berichte über
Massenexekutionen verbreitet. Bequemlichkeit, mangelnde Kenntnis
und die Political Correctness der Stunde geben den Journalisten
offenbar das Gefühl, sie sollten nicht übermäßig
differenzieren und die Bilder grausamer Panzer, die unschuldige
Bürger terrorisieren, für sich selbst sprechen lassen. Aber
Bilder sprechen selten für sich selbst. Eine Reportage der ARD
hat unlängst ernsthafte Zweifel über den Tod jenes
palästinensischen Jungen geäußert, der am 6. Oktober 2000
durch gezielte israelische Schüsse in den Armen seines Vaters
starb. Er wurde noch am selben Tag zum Poster-Boy des Aufstands.
Die deutsche Reportage nannte nun Indizien, nach denen der Junge
möglicherweise nicht durch israelische, sondern durch
palästinensische Kugeln getötet worden sei. Aber scheinbar
genierte sich die niederländische Presse des Zweifels - es kam
zu keiner diesbezüglichen Meldung.
Die renommierte niederländische Zeitung De Volkskrant
vom Samstag, dem 6. April, gibt ein Beispiel undifferenzierter
Meinungsmache. Die Zeitung druckte vier Fotos unter dem Titel
ab: "Ein Palästinenser wird in Ramallah bei einem
Feuergefecht von einem israelischen Heckenschützen
erschossen." Foto 1 zeigt, dass der Mann, der später
getötet wurde, selbst aus einer automatischen Waffe feuert,
Foto 2 zeigt, dass er getroffen wird, Foto 3, dass er zu Boden
fällt, und Foto 4, dass sich seine Kameraden über seine Leiche
beugen. Im Text wird neutral gemeldet, dass es "um einen
Palästinenser" geht, obwohl deutlich zu sehen ist, dass es
sich um ein bewaffnetes Mitglied der palästinensischen Miliz
handelt. Der Israeli aber wird nicht "ein Israeli",
sondern ein "israelischer Heckenschütze" genannt,
also ein feiger Mörder, der sich verborgen hält und heimlich
seine Opfer tötet. Der Text bietet zu den Fotos eine
Interpretation, die steuert, selektiert und täuscht.
In der europäischen Berichterstattung über Arafats
Herrschaft und die arabische Welt klafft eine bemerkenswerte
Lücke: deren unaufhörliche antisemitische Propaganda.
Judenhass ist ein akzeptierter, alltäglicher Bestandteil der
arabischen Medien (die übrigens von den Obrigkeiten
vollständig kontrolliert werden). Neulich publizierte eine
saudische Staatszeitung in einer zweiteiligen Geschichte den
alten antisemitischen Mythos vom Gebrauch nichtjüdischen
Menschenbluts, das sich die Juden durch Mord verschafften und
zur Herstellung bestimmter Gerichte verwendeten. Über diesen
Artikel erregte sich die amerikanische Presse, sodass die Saudis
eine vorsichtige Entschuldigung abdruckten. Eine Mehrheit der
Araber glaubt, dass Juden die Twin Towers angegriffen hätten.
Momentan werden Juden in der arabischen Presse sogar bezichtigt,
die Anschläge in Netanja, Tel Aviv und Jerusalem selbst
begangen zu haben, um eine Besetzung des Westjordanlandes zu
rechtfertigen. Die arabischen Medien, allen voran al-Dschasira ,
beschreiben die Israelis als Kinder- und Frauenmörder, als
Plünderer und Diener eines kosmischen Bösen, das den Islam
vernichten will.
Aber die westeuropäischen Medien, die diese Tendenzen mit
Bestürzung beobachten sollten, schweigen darüber. Innerhalb
von zwei Tagen nach dem israelischen Einmarsch in Ramallah war
in den europäischen Medien keine Rede mehr von der
Vorgeschichte. Die Erinnerung an den Anschlag von Netanja und
dessen fatale Folgen waren verschwunden. Es gab nur noch
Gerüchte über das grausame militärische Auftreten der
Israelis. Gewiss, seit 1967 haben die Palästinenser in den
besetzten Gebieten unter den Israelis gelebt. Aber jeder
Vergleich mit der Schoah ist eine gefährliche Umkehrung aller
Werte. Ich sage: Wer das Schicksal meiner Großeltern oder Onkel
und Tanten mit dem Schicksal der Palästinenser unter den Juden
gleichstellt, ist ein Antisemit.
Die arabische Scham
Verzweiflung, entstanden aus Erniedrigung, Armut, fehlender
Freiheit und Selbstbestimmung, wird in anderen arabischen
Staaten ebenso stark empfunden wie in den besetzten Gebieten.
Trotzdem kommen dort Selbstmordanschläge selten oder nie vor.
Warum schickt ein Palästinenser sein Kind los, um sich selbst
und andere zu töten, und ein Ägypter nicht? Der große
Unterschied liegt in der Frage, was die Unterdrückten als
Unterdrückung und wen sie als Unterdrücker erleben. Freiheit
und Wohlstand der Ägypter werden bestimmt - vor allem: begrenzt
- durch eine dezidiert islamische Elite von Militärs und
Industriellen. Für einen Palästinenser besteht diese Elite aus
Juden. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf betrug 1998 in Israel
16 180 Dollar und lag damit sogar höher als in Spanien.
Reichtum, der den Palästinensern, wie sie meinen, abgenommen
worden war. Wenn die Juden ihr Land nicht mit unrechtmäßigen
Mitteln eingenommen hätten, wären die Palästinenser, wie sie
meinen sie, heute ebenso wohlhabend. In der täglichen
Konfrontation mit dem Reichtum und der Macht der Juden liegt der
Schlüssel zum Verständnis der palästinensischen
"Verzweiflung". Das gewalttätige palästinensische
Verhalten ist nicht durch ein Bedürfnis nach Freiheit zu
erklären - die Freiheiten des durchschnittlichen Syrers bilden
nur einen Bruchteil der Freiheit eines Palästinensers unter
israelischer Besatzung in den achtziger Jahren - oder mit dem
Kampf gegen Hunger - denn in den achtziger Jahren, unter
israelischer Besatzung, hat die palästinensische Wirtschaft
eine Blüte erlebt -, sondern durch etwas, das mit der Kultur,
der Religion und den arabischen Verhältnissen zu tun hat: mit
Scham. Scham, verursacht von einem Gefühl der Erniedrigung
durch ein, notabene, in islamischen Augen zweitrangiges Volk,
die Juden.
Ist damit die Frage nach den Ursachen der Gewalttätigkeiten
befriedigend beantwortet? Nein. Es gibt noch mehr. Unlängst
erklärte Ismail Haniya, ein Hamas-Führer, gegenüber der Washington
Post, sie hätten die Schwachstelle der Israelis gefunden:
"Die Juden lieben das Leben mehr als andere Menschen, und
darum wollen sie nicht sterben(!)." Um es deutlich zu
sagen: Hamas strebt nach Vernichtung Israels, nicht nach einem
Zusammenleben eines jüdischen und eines palästinensischen
Staates oder nach einem demokratischen Palästina. Hamas strebt
nach der Einführung der Scharia, der mittelalterlichen
islamischen Gesetzgebung. Seit Israels Rückzug aus dem Libanon
im Mai 2000 - einem Moment, der in der arabischen Welt als
Niederlage der Juden gefeiert wurde - ist der Traum, Israel mit
Gewalt in die Knie zu zwingen, immer stärker geworden. Juden
haben keine Antwort auf den Tod. Spreng sie in die Luft, und sie
bekommen Angst! Bei den Muslimen ist das anders. Der Tod im
Kampf für Allah ist ein heiliger Tod.
Palästinensischer Machtkampf
Fouad Ajami, ein im Libanon geborener Beobachter der
arabischen Welt, hat im Wall Street Journal vom 29. März
versucht, die Kultur des Märtyrertums zu ergründen: "Er
,der Selbstmörder, der das Park Hotel in die Luft jagte, ist
Teil der ihn umgebenden Kultur - der Freude, mit der diese
brutalen Terrorakte begrüßt werden, des Kults, der rund um die
Märtyrer und ihre Familien entsteht." Ajami zitiert Farouk
Kaddoumi, ein Mitglied der palästinenischen Delegation bei der
Konferenz der Arabischen Liga in Beirut. Kaddoumi erklärte
dort: "Das Rückkehrrecht der Flüchtlinge nach Haifa und
Jaffa ist wichtiger als ein eigener Staat." Ajami spricht
von der "großen palästinensischen und arabischen
Weigerung, das Land ,Israel' bestehen zu lassen, um ihm einen
Platz unter den Nationen zu gönnen." Auch der
Friedensvorschlag des Kronprinzen Abdallah von Saudi-Arabien
beruht auf dieser Weigerung, verpackt in den Vorschlag, die
palästinensischen Flüchtlinge zwischen einer Rückkehr in das
heutige Israel und einer finanziellen Entschädigung wählen zu
lassen (was werden sie wohl wählen?).
Es steht nicht fest, wie viele Flüchtlinge es gibt,
Schätzungen bewegen sich zwischen drei und vier Millionen
Menschen. Sie bilden die einzige Personengruppe, die seit Ende
des Zweiten Weltkriegs im Flüchtlingsstatus verharrt. Warum?
Die arabischen Nachbarn und die internationale Gemeinschaft
haben sich konsequent geweigert, die Palästinenser als Bürger
aufzunehmen. Ihr Hass wird seit 1948 am Leben erhalten. Ihre
Rückkehr nach Israel liefe auf einen Bürgerkrieg hinaus, auf
das Ende des jüdischen Staates in seiner jetzigen Existenz.
Die "große palästinensische und arabische
Weigerung", Israel als jüdischen Staat zu akzeptieren,
bleibt die Grundlage des Konflikts. Doch ihm liegt als tieferes
Problem die katastrophale kulturelle und ökonomische Stagnation
der arabisch-islamischen Welt zugrunde. Die gegenwärtige zweite
Intifada hat wenig mit Scharons Besuch auf dem Tempelberg zu
tun. Es war eine zielgerichtete Provokation Scharons, um die
internen palästinensischen Spannungen zu verschärfen, aber
damit hat die Intifada nicht begonnen. Die wirklichen Ursachen
der zweiten Intifada sind in den europäischen Medien kaum oder
gar nicht behandelt worden, aus Angst, Arafats Heldentum damit
zu beschädigen. Die zweite Intifada lässt sich nicht
verstehen, wenn die innerpalästinensischen Konflikte nicht
beschrieben werden.
In Gaza und im Westjordanland bestehen zurzeit, grob gesagt,
drei Machtblöcke: Arafat mit seinen aus Tunis mitgekommenen
Getreuen, die eine korrupte und unfähige wirtschaftliche und
militärische Elite gebildet haben, zweitens die Jüngeren,
Nationalisten, die in der ersten Intifada erfolgreich gekämpft
haben, und drittens die Islamisten, die unversöhnlichen,
fanatisch Gläubigen der Hamas und des islamischen Dschihad.
Gleich nach Arafats Rückkehr kam es zu Spannungen zwischen
diesen Gruppen. Anschläge von Islamisten beendeten nacheinander
die Regierungen von Peres und Barak und brachten die
kompromisslosen Politiker des Likud, die von den Siedlern unter
Druck gesetzt werden, in die Regierung. Es waren Aktionen, die
Arafat und Israel beweisen sollten, dass sie durchaus in der
Lage waren, die Osloer Familienfeier zu stören; und dass sie
sich nie mit Kompromissen bezüglich des Landes und des
"Rechts auf Rückkehr" abfinden würden.
Arafat hat versucht, die Islamisten und die Jüngeren zu
isolieren, aber deren Machtbasis war zu groß: Arafat hat in
absoluten Zahlen bei den Wahlen von 1996 nicht mehr als die
Hälfte aller Stimmen bekommen. Die Hälfte der Bevölkerung von
Gaza und vom Westjordanland zog den Weg der Gewalt vor. Für
einen großen Teil der Palästinenser hatte Arafat schnell
seinen Kredit verspielt: Die Korruption und der Machtmissbrauch
waren so empörend, dass Islamisten begannen, Anschläge auf die
schlimmsten Profiteure und Kriminellen auszuüben. Die
Spannungen und der Machtkampf in den besetzten Gebieten wurden
so groß, dass Arafat nicht mehr in der Lage war, in Camp David
über Baraks Vorschläge ernsthaft zu verhandeln. Die Jüngeren
und die Islamisten standen bereit, ihn bei seiner Rückkehr vom
Thron zu stoßen. Die zweite Intifada war ihr Aufstand, mit dem
sie der palästinensischen Bevölkerung und Arafat zeigen
wollten, dass auch sie die Israelis vertreiben konnten, genau
wie die Hisbollah im Südlibanon. Was wollen die Jüngeren, was
sich von Arafats katastrophalem Regime unterscheidet?
Der palästinensische Politologe Khalil Shikaki schrieb in
der Januarausgabe von Foreign Affairs über die
Jüngeren: "Sie wollen Transparenz,
Verantwortungsbewusstsein, eine Kampagne gegen Korruption und
eine direktere Konfrontation mit Israel. Sie haben auch zur
Gründung einer Regierung der nationalen Einheit aufgerufen, der
nicht nur Vertreter aus ihren eigenen Reihen angehören sollen,
sondern auch Mitglieder der Islamisten und anderer
oppositioneller Gruppierungen. ... Die junge Garde ist vehement
gegen jede Form von Waffenstillstand, der den Untergang der
nationalistischen oder islamistischen militanten Palästinenser
bedeuten würde."
Der Kampf in den Cafés
Sie haben Arafat die Pistole auf die Brust gesetzt, und seit
Ausbruch der jetzigen Intifada hat er ihr Spiel mitspielen und
seine eigenen Sicherheitsorgane bei Terroranschlägen in Israel
einsetzen müssen. Vor der internationalen Presse verurteilte er
die Anschläge. Hinter den Kulissen war er gezwungen, die
Jüngeren und die Islamisten zu unterstützen. Tatsächlich wird
der palästinensische Machtkampf in den Cafés und Restaurants
von Israel ausgefochten. Shikaki zeigt drei Möglichkeiten auf,
wie dieser Kampf ausgehen könnte. "Wenn der
israelisch-palästinensische Konflikt in der Sackgasse stecken
bleibt, werden die Islamisten die Gewinner sein. Wenn Israel
sich für einen bedeutenden einseitigen Rückzug oder für eine
Abschottung entscheidet, wird hingegen die junge Garde
profitieren. Und wenn die israelischen und palästinensischen
Führer zu einem gemeinsamen Abkommen finden, gleich ob
vorläufig oder von Dauer, dann wird die alte Garde noch einen
Aufschub erhalten."
Israels Auftreten kommt Arafat wie gerufen. Die Machtzentren
der Islamisten und der Jüngeren werden vernichtet, während
Arafats Prestige zunimmt und seine Fatah-Organisation vermutlich
schneller als die beiden anderen nach einem israelischen
Rückzug bereitstehen wird. Nicht ohne Grund hat Arafat nichts
unterlassen, um Scharon zu provozieren; nur mit Hilfe seines
Todfeinds kann Arafat seine eigene Basis wieder in den Griff
bekommen.
Michael Kelly, Journalist der Washington Post,
erinnerte neulich an Arafats historische Rückkehr am 1. Juli
1994: "Arafats Ankunft in Gaza war eine interessante
Lektion: eine absichtlich unbekümmerte Zurschaustellung
brutaler Macht. Er kam aus dem Sinai, in einer langen Karawane
von Autos der Marken Chevrolet, Mercedes und BMW, 70 oder 80
Autos voller bewaffneter Männer. Die Karawane schoss durch die
voll besetzten Straßen, mit den korpulenten, in Lederjacken
steckenden, Sonnenbrillen tragenden Bodyguards, die während der
ganzen Zeit schrien und ihre Kalaschnikows abfeuerten, um das
geliebte Volk auseinander zu jagen, um Platz zu machen für den
geliebten Führer."
Über Arafats Verwaltung schreibt Kelly, ein übrigens
heftiger Gegner Scharons: "Es gab nie die Absicht, eine
Demokratie, ,The Rule of Law', eine freie Presse, ein
funktionierendes Steuersystem, ein Rechtssystem oder
Gesundheitswesen einzuführen. Eine wirkliche Regierung hat es
nie gegeben. Niemand hat sich je um den Aufbau der Wirtschaft,
um die Schaffung von Arbeitsplätzen oder auch nur um einen
Müllabfuhrdienst oder den Unterhalt von Straßen gekümmert. Es
gab nur Sicherheitsorgane - viele, viele - und Villen am Meer
von Arafats Kumpanen und Millionen Dollar ausländischer Hilfe,
die immer wieder verschwunden zu sein schienen, und Gefängnisse
und Propaganda. Und in der Mitte von allem: ,Präsident' Arafat,
in einem Zimmer sitzend - umringt von wartenden Schmeichlern und
Krawattenträgern und respektvollen Damen und Herren von der
Presse."
Um meine eigene Position deutlich zu machen: Ich finde, dass
die jüdischen Siedlungen heute aufgelöst werden müssen, dass
heute Nacht noch ein hoher Sicherheitszaun um Israel errichtet
werden soll, der anschließend von schwer bewaffneten
Nato-Einheiten bewacht wird (mit vielen Tausenden deutscher
Mannschaften, um der historischen Gerechtigkeit willen), und
dass die Palästinenser das Recht haben, morgen ihre eigene
arabische Diktatur zu gründen. Doch für diesen Staat müssen
sie einen Preis bezahlen: Nachdem sie seit 1948 in ihren
Flüchtlingslagern von ihren arabischen Brüdern, unterstützt
von ganzen Ressorts der Vereinten Nationen, geknebelt, belogen
und betrogen wurden, ist die Aufgabe des
"Rückkehrrechts" in das jüdische Land, so wie es bis
zu den Grenzen von 1967 bestanden hat, eine absolute Bedingung.
Israel hat viele Fehler gemacht. Die Siedlungspolitik (ein
jede Vernunft übersteigender Traum der National-Religiösen,
eine Form jüdischen Fanatismus, der nach 1967 entstanden ist),
die unwürdige Behandlung von Palästinensern an Grenzposten,
bei Straßensperren und bei ihrer Arbeit in Israel, die
Mordanschläge auf Terroristen. Aber all das bietet keine
Erklärung für den Selbstmordterrorismus, von einer
Rechtfertigung ganz zu schweigen. Mehr als durch israelische
Fehler wurden die Jahre nach Oslo durch die
innerpalästinensische Dynamik unter der katastrophalen
Herrschaft des Räuberhauptmanns Arafat und dem Einfluss des
islamischen Fundamentalismus vergiftet.
In den Gefechten zwischen der israelischen Armee und der
palästinensischen Miliz, die sich dafür entschied, die
Konfrontation zu beginnen und die Terroristen und ihre
Organisationen und Netzwerke zu beschützen, sind in den
vergangenen Tagen viele Unschuldige gestorben. Nicht weil Israel
ihren Tod gewollt hatte, sondern weil die palästinensischen
Milizangehörigen vorsätzlich Unterschlupf in der eigenen
Bevölkerung suchten. Das taten sie in der Erwartung, dass
Israel seine Feuerkraft zügeln würde (was Israel tatsächlich
versuchte) und dass die unvermeidlichen Zwischenfälle von den
internationalen Medien aufgegriffen würden.
Ich klage an
Ich klage die europäischen Medien der Inkompetenz an, der
Bequemlichkeit und der Parteilichkeit in einem Befreiungskampf,
der kein Befreiungskampf ist, sondern ein Aufstand gegen eine
demokratische Gesellschaft, für die Israel von der arabischen
Welt sowohl beneidet als auch gehasst wird.
Ich klage die europäische Politik an, in Feigheit über die
irakische Problematik hinwegzuschauen und die große
arabisch-islamische Lüge zu akzeptieren, die erklärt, die
israelischen Juden seien verantwortlich für das Elend im Nahen
Osten.
Ich klage die europäische Politik an, mit der Androhung
eines Wirtschaftsboykotts oder des Rückzugs ihrer Botschafter
das korrupte, unrechtmäßige Regime Arafats zu unterstützen
und damit den Kreislauf der Gewalt in Gang zu halten.