Um die Frage, ob Christen Juden missionieren sollen, ist in der Öffentlichkeit
zwischen Juden und Christen ein heftiger Streit entbrannt. Warum
Juden die Judenmission ablehnen
Ein historischer Grund:
Die Mission unter Juden ist angesichts der Leiden, die Christen 2000 Jahre lang dem
jüdischen Volk zugefügt haben, für jeden bewußten Juden eine unerhört beleidigende
Herausforderung. Denn was wurde ihnen nicht alles unter dem Zeichen des Kreuzes und im
Namen des Christentums angetan. Dazu Rabbiner Dr. Alexander Karlebach (Jerusalem): ,,Es
ist für uns Juden eine unerhörte Beleidigung und Herausforderung, daß Christen aus
sogenannten christlichen Ländern, die 2000 Jahre für das jüdische Leiden, besonders
auch für die Ermordung von sechs Millionen Juden in Europa verantwortlich sind, sozusagen
mit blutigen Händen zu uns kommen und uns ihren Glauben anbieten."
Ein national-religiöser Grund:
Die Mission unter Juden dezimiert das jüdische Volk in seinem
national-religiösen Bestand. Viele Juden sehen in einem anderen Juden, der Christ wird,
einen Abtrünnigen, der dem jüdischen Volk verloren gegangen und zu den Feinden
übergelaufen ist. Für sie ist darum die Judenmission eine ,,Fortführung des Holocaust
mit anderen (= geistigen) Mitteln".
Ein ethisch-moralischer Grund:
Die Mission unter Juden wurde und wird größtenteils mit unlauteren Methoden geführt. In
der Tat hat die christliche Judenmission sich verschiedentlich unlauterer Mittel und
Methoden bedient, um Juden zu Christen zu machen. Man nutzte ihre Notlage aus und
versprach ihnen Brot, Arbeit und Geld, wenn sie das Judentum verlassen und Christen
würden.
Ein theologischer Grund:
Die Mission unter Juden ist Hochmut gegenüber dem Judentum, da sie es zu einer
fehlerhaften Religion degradiert. Wie oft haben es die Juden von den Christen hören
müssen: Ihr habt ja nur das Alte Testament und nicht das Neue Testament wie wir. Ihr
steht immer noch unter dem unerbittlichen ,,Gesetz", wir aber stehen unter der Gnade
Christi. Euer Glaube ist falsch, denn alle eure religiösen Übungen erretten euch nicht.
Eure Frömmigkeit ist heuchlerisch. Euer Beten ist doch nur ein Plappern. Ihr seid nicht
mehr Gottes Volk. Wir als Kirche Christi sind das wahre Israel. Verständlicherweise
nehmen Juden diese Geringschätzung übel und betrachten deshalb nicht nur alle
christlichen Aktivitäten unter den jüdischen Menschen sehr mißtrauisch, sondern
verurteilen auch die christliche Judenmission aufs schärfste.
Die Stellung der Christen zur Judenmission
Es gibt Christen, die plädieren ,,nach Auschwitz" entschieden für das
unwiderrufliche Ende der christlichen Judenmission und sagen kategorisch: Christen haben
keinen Missionsauftrag an Israel mehr! Dafür nennen sie hauptsächlich drei Gründe:
Ein theologischer Grund:
Die christliche Mission unter Juden sei nicht nötig, da das jüdische Volk von
Gott ,,für alle Zeit" erwählt sei und von daher eine besondere Stellung in der
Heilsgeschichte einnehme. Darum ,,könne die Kirche ihr Zeugnis dem jüdischen Volk
gegenüber (auch) nicht wie ihre Mission an die Völkerwelt wahrnehmen" (Beschluß
der Synode der Rheinischen Kirche 1980).
Ein rellgionsgeschichtlicher Grund:
Das Judentum sei die Mutter des Christentums. Es habe lange vor der Entstehung des
Christentums den Gott der Bibel und der Christen gekannt. ,,Nicht die Kirche schleppt die
Juden sozusagen durch die Zeiten, vielmehr trägt Israel die Kirche" (Prof. Dr. Franz
Mußner, kath. Theologe).
Ein historischer Grund:
Die Christen sollten ,,nach dem Holocaust auf Mission unter Juden taktvoll
verzichten" (Siegfried von Kortzfleisch). ,,Nach allem, was geschehen ist, haben
Christen - zumindest in Deutschland - kein Recht zur Mission unter Juden, auf längere
Sicht nicht oder für dauernd" (Ev. Kirchentag 1963).
Das hat dazu geführt, daß heute im Gespräch zwischen Christen und Juden Jesus meist
ausgeklammert wird. Manche Christen haben nämlich Angst, sie könnten sonst den Dialog
mit Juden stören und in den Verdacht kommen, Juden missionieren zu wollen. Denn jüdische
Menschen reagieren auf alles, was nach Judenmission aussehen könnte, äußerst
allergisch. Deshalb haben sich auch die meisten Kirchen, Missionsgesellschaften und
,,Israel-Werke" bereit erklärt, in Deutschland, Osterreich, der Schweiz und Israel
unter Juden nicht zu missionieren. Manche haben sich sogar gegenüber israelischen
Behörden in Israel ausdrücklich verpflichtet, ganz darauf zu verzichten. - Aber es gibt
auch Christen und christliche Organisationen, die Judenmission entschieden und eindeutig
befürworten und sich dafür (laut-)stark machen. Sie kommen meist aus den Reihen der
Pietisten und Evangelikalen, so der ,,Evangeliumsdienst Südwest" (EDI), die
,,Arbeitsgemeinschaft für das Messianische Zeugnis in Israel" (AMZI) u. a.
Der evangelikale Missionswissenschaftler Prof. Dr. Peter Beyerhaus sagt: ,,Ja, ich bin
fest überzeugt davon, daß wir einen Missionsauftrag an den Juden haben. Wir würden uns
schuldig machen, wenn wir das, was Jesus uns geheißen hat, nicht ausführen würden
(Apostelgeschichte 1,8)."- In einer ,,Erklärung" der ,,Konferenz bekennender
Gemeinschaften in der evangelischen Kirche Deutschlands" zur Frage der Mission unter
Juden heißt es: ,,Rechtes missionarisches Zeugnis an Israel achtet die besonderen
Segnungen des alten Bundesvolkes hoch (Römer 9, 4, 5). Es bemüht sich darum, Israel zu
der Erkenntnis zu führen, daß Jesus dessen wahre Hoffnung, wenn auch in unerwarteter
Gestalt, erfüllt
Gibt es im Widerstreit der Meinungen für bibeltreue und bekennende Christen eine
verbindliche Antwort?
Das Zeugnis des Neuen Testaments
Alle Menschen, gleich welcher Rasse, Nation und Religion, sind schuldig vor Gott- auch
die Juden! (Römer3, 9-12)
Gott will, daß alle Menschen gerettet werden - auch die Juden! (1. Timotheus 2,4)
Jesus ist das einzige Heil für alle Menschen - auch für die Juden! (Apostelgeschichte
4,10-12)
Das Evangelium von Jesus Christus wendet sich folglich als rettenden Kraft Gottes an
alle Völker - auch an das jüdische Volk! (Römer 1,16)
Jesus hat seinen jüdischen (!) Jüngern und Aposteln befohlen, allen Völkern das
Evangelium zu verkündigen - auch den Juden! (Matthäus 10, 6.7 und 28, 19.20;
Apostelgeschichte 1,8).
Die Apostel Jesu Christi haben von Anfang an dem Volk Israel das Evangelium verkündigt
(Apostelgeschichte 2, 14.22.36; 20.21).
Das erklärte Ziel Jesu Christi und seiner Apostel war, Juden und Heiden nicht zu
Christen, sondern ,,zu Jüngern Jesu" zu machen (Matthäus 28,19).-
NEIN zur Judenmission!
Wir sollten die traditionelle Judenmission bzw. lsraelmission entschieden ablehnen.
Denn sie bestand nach kirchengeschichtlicher Praxis in der Vergangenheit meist in der
Loslösung von Juden aus ihrem Volk und dem Judentum und in ihrer Konfessionalisierung als
Katholiken, Protestanten u. a.
Wir sollten den Begriff ,,Judenmission" nicht verwenden. Denn er wirkt auf
jüdische Menschen provozierend und erinnert sie an die dunkelsten Zeiten der
Zwangsbekehrungen und Massentaufen durch Christen.
Der Begriff ,,Judenmission" ist auch inhaltlich mißverständlich. Denn im
,,Missionsbefehl" Jesu heißt es nicht: ,,Macht zu guten Christen alle Völker",
sondern ,,Macht zu Jüngern (Jesu) alle Völker" (Matthäus 28,19).-
JA zum Messianischen Zeugnis!
Nach dem Neuen Testament haben wir als bibeltreue und bekennende Christen nicht den
Auftrag, Juden zu missionieren und ihnen kirchliche Lehren und Dogmen zu verkündigen,
sondern ihnen Jesus, als den in der (Hebräischen) Bibel verheißenen Messias zu bezeugen
und sie in seinem Namen zu segnen. Und das wird uns kein Jude verweigern. Denn wir sind
schließlich Christen. Und zu unserem Christsein gehört unser Christuszeugnis. Sonst sind
wir keine Christen. Wer auf dieses Zeugnis von Jesus verzichtet, wird zum Verräter an dem
Heils- und Erlösungswerk Christi. Zugleich wird er schuldig vor Gott gegenüber den Juden
und an seinem Auftrag. Als Christen dürfen wir uns für Israel nicht engagieren um seiner
selbst willen, sondern um Jesu willen. Denn ,,Israel ist nichts ohne Jesus Christus. Und
Jesus Christus wäre nicht Jesus Christus ohne Israel" (Karl Barth, ev. Theologe).
Wir haben den Juden schlicht und einfach zu bezeugen, wer Jesus nach unserer
Glaubensüberzeugung ist, worin sein Heilswerk und seine Botschaft besteht, warum wir an
ihn glauben und was er uns bedeutet. Nicht mehr und nicht weniger. Alles andere sollten
wir dem Heiligen Geist über lassen.
Das Messianische Zeugnis sollte in großer Demut ohne Stolz und nicht aus einem
Uberlegenheitsgefühl heraus geschehen. Dabei wird es vor allem auf unser vorbildliches
Leben ankommen, das sich in uneigennützigen Taten der Liebe gegenüber jüdischen
Menschen bewähren muß.
Das Ziel des Messianischen Zeugnisses dürfen keine neuen Bekehrungsversuche sein, um
Juden zu Christen machen zu wollen. Es geht vielmehr darum, daß ein Jude in Jesus seinen
Messias erkennt und ihm nachfolgt, ohne sein Judentum und seine Zugehörigkeit zum Volk
Israel aufzugeben.
Da das Messianische Zeugnis von Christen aus Deutschland bei jüdischen Menschen vom
Holocaust und einer 2000 jährigen Judenfeindschaft überschattet ist, sollten wir es
weitgehend den Juden überlassen, die bereits an Jesus Christus glauben. Sie sind am
ehesten geeignet und fähig, den Angehörigen ihres Volkes glaubwürdig Jesus Christus zu
bezeugen (Psalm 22,23).
Wir sind als Christen verpflichtet, Israel ganzheitlich zu helfen. Dazu gehört neben
dem Messianischen Zeugnis auch die Fürbitte und Fürsorge, aber auch das öffentliche
Eintreten gegen den Antisemitismus und für den Staat Israel. Wer sich für Israel
ganzheitlich einsetzt, bekennt sich damit zum jüdischen Fundament seines Glaubens und
zugleich zum Volk Israel und seiner zukünftigen Erlösung.
Wir sollten wissen, daß nach der Heiligen Schrift das Volk Israel erst zum Glauben an
Jesus Christus findet, wenn ,,aus Zion der Erlöser kommt" (Römer 11, 2Sf). Bis
dahin werden nur einzelne Juden in Jesus Christus ihren Messias erkennen und annehmen -
mit oder ohne unser Zutun!