Ehud Barak

 

 

Home
Nach oben
Konrad Adenauer
Gerhard Schröder
Ehud Barak
Gerhard Schröder
Wolfgang Thierse
Wolfgang Thierse
Elie Wiesel
Johannes Rau
J. Fischer
J. Rau/ Diverse
Horst Koehler

 

 

Ansprache des israelischen Premierministers Ehud Barak am 22.09.1999 in der Holocaust-Gedenkstätte Sachsenhausen.
 
,,Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, sehr geehrte Frau Schröder, Herr Ministerpräsident des Landes Brandenburg, Frau Stolpe, meine überlebenden Schwestern und Brüder unter uns, meine Damen und Herren.

Hier stehe ich heute kurz nach Jom Kippur - dem heiligsten Tag für das jüdische Volk - auf deutschem Boden, an diesem Ort des Schreckens, an dem Hunderttausende von Menschen unseres Volkes und anderer Völker brutal vernichtet wurden.

Ich stehe nicht alleine, mit mir stehen die sechs Millionen Ermordeten und der Ruf ,Höre Israel, der Ewige ist unser Gott, der Ewige ist einzig' in ihrem Munde.

Sie sind es, die aus meinem Munde rufen.

Mit mir stehen auch Millionen Bürger des Staates Israel und Millionen Söhne und Töchter des jüdischen Volkes - die zum großen Teil die Kinder und die Kindeskinder der Ermordeten sind. Für all diese werde ich hier sprechen. Hier und auf anderen Schlachtfeldern unter dem grauen Himmel Europas, dem Europa von Kant, Goethe und Schiller von Mozart, Schubert und Beethoven, verübte Deutschland das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte. Niemals zuvor wurde der wissenschaftliche und systematische Versuch eines Völkermordes, gegen ein ganzes Volk gerichtet, durchgeführt.

Diese schreckliche Greueltat war nicht die Folge eines momentanen Triebausbruches, sondern ein durchdachter und akribisch geplanter Schritt, durch den ein Drittel der Töchter und Söhne des jüdischen Volkes ausgemerzt wurde. Shoa steht für einen totalen Zusammenbruch der Weltordnung, ja der Fundamente der Erde, und für den Verlust des Menschenbildes im Sinne des Ausspruchs ,Edler ist der Mensch als das Vieh! Sie hat die Existenz von finsteren, antisemitischen Trieben bei Millionen Menschen aus verschiedenen Nationen offenbart, und sie bildet den Höhepunkt eines langfristigen historischen antisemitischen Prozesses, der mit dem Versuch begann, den Juden zu diktieren, wie und wo sie zu leben haben, und mit der Feststellung endete, dass sie kein Recht auf Leben hätten.

Wie war es möglich, dass das deutsche Volk hier im Herzen der westlichen Kultur eine ,Todesindustrie' errichten konnte, deren einziger Zweck es war, Menschen zu vernichten, die als Ebenbilder Gottes geboren worden waren, ohne dass die Erde gebebt hat?

Wie war es möglich, dass anderthalb Millionen Kinder ermordet wurden und die Völker der Erde nicht erschraken und nicht aufschrien?...

Zusammen mit mir stehen heute Überlebende dieses Lagers und mit ihnen ihre Enkelkinder, die ihren Dienst in der israelischen Armee tun. Sie sind das lebendige Zeugnis dafür, dass wir wie ein Phönix aus der Asche der Opfer auferstanden sind und dass wir in ein neues Leben geboren wurden als ein freies Volk, stark und überzeugt von seinem Weg, in seiner historischen Heimat.

Zwei zentrale Lehren lassen sich aus dem Schrecken der Shoa ziehen. Die eine - dass man jedem Aufkommen von Antisemitismus und Rassismus den unerbittlichen Krieg erklären muss.

Die zweite Lehre ist, dass wir nicht schwach sein dürfen, schutzlos und ohnmächtig; nur ein sicherheitspolitisch, wirtschaftlich und moralisch starkes Israel wird die Existenz unseres Volkes für alle Ewigkeit garantieren. Niemals werden wir ohne Mittel dastehen, um unser Leben zu verteidigen, den Gnaden anderer Völker - so großzügig sie auch sein mögen - ausgesetzt sein.

Hinter den Narben und den Tränen stehen heute ein Staat und ein Volk; neben Kultur- und Geistesschätzen stehen sie auch für eine nie dagewesene Stärke. Wir werden uns und jeden Juden - wo auch immer - verteidigen, wir schwören, dass es, solange wir noch atmen können, kein Auschwitz mehr geben wird, keine Todesmärsche von Juden in die Gaskammern und keine Todesgruben. 54 Jahre nach der Shoa, in Folge höchster Bemühungen von visionsreichen Staatsmännern wie David Ben-Gurion und Konrad Adenauer gelang es uns, ein Geflecht besonderer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel zu etablieren, Beziehungen, die auf der Verpflichtung Deutschlands dem historischen Gedenken und dem Staat Israel als Staat des jüdischen Volkes gegenüber begründet sind.

Mit uns steht hier unser Freund, der Bundeskanzler Herr Schröder Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, die auf den Trümmern des Nazimonsters erwuchs, und der wie viele Deutsche ebenfalls geschworen hat, niemals zu vergessen und alles Menschenerdenkliche zu tun, damit dieses Grauen sich niemals wiederholen kann....

Und heute kamen wir aus Jerusalem, der ewigen Hauptstadt des jüdischen Volkes, um Euch, unseren ermordeten Schwestern und Brüdern zu sagen, das wir all' denjenigen, die nach unserem Leben trachteten, trotzten, denjenigen, die das jüdische Volk ausmerzen wollten; und dass wir in dem Land lsrael eine Heimat und einen Staat für das jüdische Volk errichtet haben, und dass die Prophezeiung Hesekiels über die trockenen Knochen sich erfüllt hat -
"und Ich will meinen Odem in euch geben, dass ihr wieder leben sollt, und will euch in euer Land setzen..."

Ich wünschte, ihr könntet uns sehen, die Überlebenden und die Soldaten der israelischen Armee, hier in Sachsenhausen, dem Ort der Vernichtung bei Berlin. Gerade hier verwandelte sich die Vorstellungskraft in Realität: Berlin, die Stadt, von der der Fluch der ,Endlösung' ausging und die wieder die Hauptstadt des vereinten, neuen, demokratischen Deutschlands wurde, in diese Stadt kommen wir ein halbes Jahrhundert danach als die Gesandten des souveränen, starken und prosperierenden jüdischen Staates.

Wie symbolträchtig ist es, dass gerade in Berlin die Worte des Partisanenliedes in Erfüllung gehen:

"Und der Tag, nach dem wir uns sehnten, wird noch kommen, und unser Schritt wird noch nachhallen - wir sind hier-

Das Volk Israel lebt!"

 

Zum Seitenanfang

Reden ] Vergessen? ]